Donnerstag, 16. September 2010

Leben ist kein "Ghettofilm"

Ich höre Musik und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich die seit langem anhaltende Schreibblockade heute durchbrochen kriege, aber worüber kann man schreiben? Ich reflektiere die letzten Wochen und denke, dass ich einige falsche Entscheidungen getroffen habe. Mich auf die falschen Leute fokussiert, den falschen Film gelebt und meinem Körper die falschen Sachen zugeführt habe.



Ich habe mich in meiner eigenen Utopie verstrickt und gedacht, dass es immer noch so einfach sei, wie als Jugendlicher. Sicher weigere ich mich erwachsen zu werden, aber dem Lauf der Zeit kann ich mich scheinbar nicht entziehen. Jedenfalls würden mir heute Sachen, die man damals noch als Jugendsünden abtat, sicherlich als Straftat ausgelegt.

Zuletzt titelte der Express ganz groß mit der Schlagzeige:"Kölns gefährlichster Vorort." Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Was dort als Titelstory präsentiert wurde, war das Leben, welches ich sah, wenn ich raus ging um mich mit Freunden zu treffen. Ich hab den Bericht nicht mehr genau im Kopf, aber bin mir sicher, dass der Informant der Express nur ein kleiner Fisch war, der seine Chance gekommen sah, sich wichtig zu machen.

Ich könnte mit Sicherheit authentischere und brisantere Geschichten präsentieren, als beim Express jemals auf der Titelseite stehen können, aber will ich das? Will man sich mit etwas brüsten, dass man eigentlich als Vergangenheit ansah und wie in einem Dejavu innerhalb der letzten Wochen noch mal erlebte?

Ich vergesse nicht die Blicke, die man mir und den Leuten zu warf mit denen ich unterwegs war. Von Bewunderung über Furcht bis Abscheu sah ich alle Facetten der menschlichen Emotionen. Eine Szene wird mir jedoch irgendwie in Erinnerung bleiben.

Ich fuhr mit der Bahn durch Köln. Bekleidet mit Jogginghose, dreckigem T-Shirt und abgenutzten Boots. Ich kam von der Arbeit, freute mich zu Hause nur noch auf die Dusche und saubere Klamotten und döste Musik hörend in der Bahn. An irgendeiner Haltestelle stieg eine alte Frau samt Gehstock ein. Kein freier Platz mehr in der Bahn, um mich herum nur Anzugträger mit IPhone und teuren Laptoptaschen am Handgelenk. Aufgestanden ist wer? Richtig der Junge in Jogginghose, der beim einsteigen nur von oben herab angeguckt wurde.

Ich stellte mir nur die Frage, wer von den Anwesenden nun der Asoziale war. Ich oder die Herrschaften, die sich zu fein waren ihren Sitzplatz zu räumen.

Oder eine andere Szene.

Ich bin mit Freunden unterwegs, wir treffen die Freundin eines meiner Kollegen. Sie macht gerade ihr Abitur, er hat einen Abgang nach der 10. Irgendwann kam die Frage nach meiner schulischen Bildung auf. Nach der Antwort, dass ich dieses Jahr mein Abitur gemacht hatte, betroffenes Schweigen der Mädchen und der Satz, der mich wieder zurück aus meinem Film holte.


"So wie du aussiehst und redest, hätte ich nicht mal gedacht, dass du einen Hauptschulabschluss hast."

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